ESSENHEIM – Diese Geschichte beginnt vor etwas mehr als drei Jahren in Südfrankreich, in La Croix-Valmer, südlich von Saint Tropez. Frank Dinter aus Essenheim genießt am Mittelmeer die Sommersonne, dazu einen kühlen Roséwein, die Spezialität der Region. Nach dem ersten Glas (könnte auch die erste Flasche gewesen sein, räumt er heute ein) formt sich ein Gedanke: Einen richtig edlen, hochwertigen Rosé – warum gibt es so etwas eigentlich nicht bei uns in Deutschland? Und warum mache ich einen solchen Wein nicht gleich selbst?
Der Familienrat lässt sich auf das Abenteuer ein.
Foto: Sascha Kopp, Allgemeine Zeitung Mainz
Nun ist Frank Dinter kein Winzer, sondern Manager – aber er kennt das Familienweingut Braunewell ziemlich gut, wo er daheim in Essenheim seit Jahren seinen Wein kauft. Es wird mittlerweile in 14. Generation betrieben und gilt als eines der Topweingüter Rheinhessens. Die Jungwinzer Christian und Stefan Braunewell sind hin- und hergerissen von Dinters Idee: einerseits reizvoll – andererseits fraglich, ob es für einen solchen Wein einen Markt gibt. Rosé wird in Deutschland als leichter Sommerwein ohne elitären Anspruch getrunken. Zwei solche Rosés haben die Braunewells als Guts- und Literwein bereits im Sortiment. Was Dinter vorschwebt, ist etwas völlig anderes: ein echter Spitzenrosé, ein „High-End-Produkt“ für allerhöchste Ansprüche. Nur noch sechs Wochen sind es bis zum Beginn der Lese – ganz schön knapp, um sich auf ein solches Abenteuer einzulassen.
Doch der Familienrat sagt ja und tritt sogar den Paradeweinberg in der Lage „Teufelspfad“ für das Rosé-Projekt ab: Alte Reben in Kalkmergelböden verleihen den Spätburgundertrauben eine spezielle Note. Anfang Oktober wird von Hand gelesen und selektiert, rund zwei Drittel werden weggeschnitten. Von Anfang an ist das der Anspruch Dinters und der Braune-wells: den besten Rosé Deutschlands zu machen. Entsprechend viel Sorgfalt verwenden sie auf die weitere Produktion, auf Barriquelagerung und Komposition. Das Endprodukt: ein fülliges, cremiges, eher Rosé untypisches Cuvée aus 80 Prozent Spätburgunder, 15 Prozent St. Laurent und fünf Prozent Merlot, abgefüllt in edle Champagnerflaschen. Auf dem locker um den Hals geschwungenen Etikett steht nur: „der Rosé“. Wie es in der Volkswagenwerbung nur heißt: „das Auto“. Wobei: schwieriges Thema, Volkswagen.
Dinter ist der Vergleich mit einem Ferrari ohnehin lieber. Recht gibt ihm nicht nur der Flaschenpreis von 25 Euro, sondern auch die Qualität: gleich 2015 bester Rosé Rheinhessens im Mainzer Weinführer, 2016 bester Rosé im Gault Millau, 2016 und 2017 Sieger beim Berliner Rosé Cup.
Frank Dinters Traum ist wahr geworden: Mit den Braunewells hat er den besten Rosé Deutschlands auf den Markt gebracht. Einen Wein, der prima funktioniert, bei anspruchsvollen Kritikern ebenso wie bei anspruchsvollen Kunden. Vor eineinhalb Jahren traute er sich mit einer Kiste sogar in eine Vinothek in Südfrankreich und bat darum, seinen deutschen Rosé ins Sortiment aufzunehmen. Man schaute ihn bloß herablassend an: Ob er wisse, in welchem Land er sich befinde? Er hörte nie wieder etwas aus Frankreich – es wird seinen Grund haben.
Artikel von Frank Schmidt-Wyk aus der Allgemeinen Zeitung Mainz vom 02.01.2018
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