Im Weingut Braunewell steigert ein digitaler Gärkeller die Qualität des Weins
Ein Bericht von Fabienne Bosle // Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Kaiserslautern
Die Familiengeschichte des Weinguts Braunewell geht bis auf die Hugenotten zurück, die sich 1655 in Essenheim in der Nähe von Mainz ansiedelten. Seit über 350 Jahren betreibt die Familie Braunewell landwirtschaftliche Selbstversorgung in Kombination mit Weinbau. „Im Laufe der Zeit hat eine Spezialisierung in der Landwirtschaft stattgefunden. Hier bei uns im Ort haben sich manche Betriebe auf den Anbau von Getreide oder Obst spezialisiert – und wir uns auf Wein. Allen Rebsorten voran ist bei uns der Burgunder stark vertreten. Mein Großvater Adam Braunewell hat in den 1960er Jahren den Betrieb auf die professionelle Ebene gehoben und meine Eltern Axel und Ursula Braunewell haben ihn zu einem modernen Familienweingut weiterentwickelt “, erzählt Stefan Braunewell, einer der Geschäftsführer des Weinguts. Er leitet mittlerweile den Familienbetrieb gemeinsam mit seinem Bruder Christian Braunewell. Aber die gesamte Familie – vier Generationen der Braunewells – arbeitet gemeinsam auf dem Hof und ist an der Herstellung des Weins beteiligt.
Zur Weinlese beschäftigt das Unternehmen ca. 30 Mitarbeiter. Dazu zählen neben den Familienmitgliedern und Festangestellten auch Erntehelfer aus Polen, die den Braunewells bereits seit 1991 aushelfen. Das Weingut bewirtschaftet 26 Hektar Reben, das entspricht 150.000 Rebstöcken und daraus ergeben sich am Ende rund 200.000 Flaschen Wein. Davon wird ungefähr die Hälfte an die Gastonomie verkauft, die andere Hälfte geht über die Vinothekt direkt an die Endkunden.
Die Digitalisierung fördert die Nachhaltigkeit
Nicht nur das Thema Tradition, sondern auch das Thema Nachhaligkeit wird im Hause Braunewell groß geschrieben. Beispielsweise produziert eine Photovoltaik-Anlage eigenen Solarstrom für das Unternehmen. In einem nächsten Schritt soll ein Energiespeicher integriert werden, sodass der Strom, der tagsüber erzeugt wird, auch abends eingesetzt werden kann. Für die Steuerung eines solchen Energiemanagement möchte Stefan Braunewell auf die Digitalisierung setzen.
„Durch den Klimawandel findet die Weinlese immer früher statt und die Trauben sind wärmer, wenn sie bei uns ankommen. Wir erhalten zwar automatische Meldungen auf das Smartphone, wenn die Kühlanlage eine Störung aufweist. Aber mit einer noch intelligenteren Kühlanlage, die mithile des Engergiespeichers versorgt wird und die man digital steuern kann, könnten die Trauben nachhaltig gekühlt werden bis morgens wieder die Sonne aufgeht und neuer Strom produziert werden kann“, so Braunewell.
Datenauswertung optimiert den Gärprozess
Bevor die Trauben geerntet werden, sind sie sehr vielen externen Einflüssen ausgesetzt. So können Frost oder Hagel große Schäden verursachen. „Sobald sie bei uns im Weingut sind, müssen wir alles dafür tun, dass keine weiteren Schäden entstehen und die Trauben zu Qualitätswein werden“, sagt Braunewell. Zum Erreichen einer hohen Qualität ist es besonders wichtig, die alkoholische Gärung des Weins zu kontrollieren. Dadurch wird auch der spätere Geschmack des Weins beeinflusst. Mithilfe von Hefe findet bei der Gärung die Umwandlung des Zuckers aus dem Traubenmost in Alkohol und Kohlendioxid statt. Um zu vermeiden, dass wertvolle Weinbestandteile verloren gehen oder sich unerwünschte Nebenstoffe entwickeln können, darf eine bestimmte Temperatur nicht überschritten werden.
Die Gärkontrolle verläuft im Weingut Braunewell über ein digitales Messgerät, das anhand von RFID-Chips den entsprechenden Weintank mit seinem Inhalt erkennt. Anschließend wird aus dem Tank eine Weinprobe über einen Schlauch am Messegerät aufgenommen und die Dichte des Weins gemessen. Die Dichte beschreibt das Gewichtsverhältnis von einem Liter Most zu einem Liter Wasser bei 20°C. Der Zuckergehalt des Mosts ist entscheidend, denn aus diesem lässt sich der spätere Alkoholgehalt im Wein ableiten. Ein solcher Gärprozess dauert ca. vier Wochen.
Die gemessenen Daten werden gemeinsam mit der Tanknummer abgespeichert und können über die Schnittstelle am PC ausgewertet werden – auch grafisch. Zukünftig plant Braunewell noch Bildschirme im Gärkeller anzubringen, sodass die Eingabe der Messwerte und die Vernetzung mit dem System noch weiter optimiert wird.
„Früher wurde von Hand mit einer Spindel gemessen und entsprechend fehlerbehaftet waren die Messwerte. Dank des Geräts ist die Messung mittlerweile sehr simpel, sehr schnell, exakt und finanziert sich damit quasi von selbst. Was früher einen Mitarbeiter einen ganzen Tag beschäftigt hat, wird heute in knapp 1,5 Stunden erledigt. Trotz dieser digitalen Datenauswertung möchten wir nicht vollständig auf das Probieren unseres Weins verzichten. Das ist uns zu wenig Herzblut bei der Weinherstellung“, ergänzt Braunewell.
Digitale Zukunftspläne – potenziell als Projekt mit dem Kompetenzzentrum
Braunewell sieht drei Hauptgründe, warum die Digitalisierung seinem Unternehmen und auch anderen KMU Vorteile bringt: „Zum einen können die personellen Ressourcen besser eingesetzt werden, da die Digitalisierung deutliche Arbeitsererleichterungen bewirkt. Zum anderen sparen wir Geld. Natürlich fallen am Anfang gewisse Anschaffungskosten an, aber auf lange Sicht spart man viel mehr. Und der dritte Vorteil ist, dass sich die Qualität unseres Produkts durch die digitale Datenauswertung verbessert hat. Entsprechend gibt es für uns ausschließlich positive Gründe, warum man sich mit der Digitalisierung beschäftigen sollte.“
Auch zukünftig möchte sich das Weingut noch digital weiterentwickeln – und möglicherweise im Rahmen eines Projekts mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern.
„Vor unserem Termin war mir nicht bewusst, dass es solche kostenlosen Angebote für KMU in Rheinland-Pfalz gibt. Vielleicht werde ich darauf zurückkommen, zum Beispiel wären wir an einem übergeordneten Programm interessiert, um verschiedene Schnittstellen bzw. Insellösungen zu verbinden und somit eine durchgängige Dokumentation zu ermöglichen. Außerdem möchten wir auch ein digitales Lager-Management einführen, sodass wir die Daten zum aktuellen Lagerbestand jederzeit einsehen können“, sagt der Geschäftsführer abschließend.
Über das Unternehmen: Weingut Braunewell
Unternehmenssitz: Essenheim
Mitarbeiter: ca. 30 Beschäftigte
Gegründet: 1655
Die Familie Braunewell lebt und arbeitet in der traditionsreichen Weinbaugemeinde Essenheim im Selztal. Auch wenn es den landwirtschaftlichen Betrieb bereits seit 1655 gibt, füllte Adam Braunewell in den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts erstmals den Wein professionell in Flaschen. Axel und Ursula Braunewell haben den Betrieb zu einem modernen Familienweingut weiterentwickelt, geprägt von viel Leidenschaft für Weinbau und Weine. Ihre Söhne Christian und Stefan schreiben diese Geschichte nun weiter fort. Die beliebteste Rebsorte der Familie Braunewell ist der Burgunder mit dem Spätburgunder, dem Weiß- und Grauburgunder sowie dem Chardonnay. Sie nehmen knapp 50 % und der Rebfläche des Weinbaubetriebs ein. Es folgt Deutschlands wichtigste Rebsorte, der Riesling, mit ca. 30 %. Die übrige Anbaufläche ist breit gestreut für Rebsorten wie Sauvignon Blanc, Scheurebe, Chardonnay, Cabernet und Merlot.